Interview

mit Peter Appel

Interview mit Rhein Petroleum Geschäftsführer Peter Appel über die Suche und Förderung von Erdöl in Süddeutschland

„Es ist sinnvoll, heimische Ressourcen zu fördern“

Herr Appel, Ihr Unternehmen hat es sich zur Aufgabe gemacht, alte Erdölfelder in Süddeutschland zu untersuchen und sie gegebenenfalls wieder zu erschließen. Ist das in Zeiten der Energiewende und E-Mobilität kein Anachronismus?

Appel:
Wenn wir Erdöl rein als Mittel zum Verbrennen und Verheizen ansehen würden, dann wäre es tatsächlich ein Anachronismus. Aber Erdöl ist viel mehr: Er ist ein Rohstoff, der unverzichtbar ist für zahlreiche Produkte unseres täglichen Lebens: Kleidung, Möbel, elektronische Geräte und IT-Hardware, hochwertige Verbund- und Spezialkunststoffe, Schmierstoffe oder Medizinprodukte und Arzneimittel – überall steckt ein Anteil Erdöl drin. Auch für die Energiewende und die Elektromobilität spielt Erdöl eine durchaus wichtige Rolle, etwa bei der Herstellung von Windkrafträdern, bei der Wärmedämmung von Gebäuden oder dem Bau von notwendigen Stromtrassen. Es ist wichtig, sich bewusst zu machen: Erdöl ist ein wertvoller Rohstoff, der als solcher auch verantwortungsbewusst genutzt werden sollte. Zum Verbrennen und Verheizen ist Erdöl viel zu schade.

Das heißt, Sie sehen sich mit Ihrem Geschäftsmodell nicht im Widerspruch zur Energiewende?

Appel:
Richtig. Wir sind nicht gegen die Energiewende, sondern befürworten sie uneingeschränkt. Die erneuerbaren Energien ersetzen immer mehr die fossilen Energieträger in der Strom- und Wärmeerzeugung – und das ist auch absolut richtig. Aktuell wird regenerative Energie hauptsächlich für die Stromerzeugung eingesetzt, und Erdöl ist auch nach wie vor als Überbrückungstechnologie unverzichtbar für die Mobilität – und hier nicht nur für den Individualverkehr, sondern auch für den Güterverkehr per LKW, Schiff oder Flugzeug. Davon wollen und müssen wir allerdings abkommen. Als wichtiger Rohstoff für die Industrie wird Erdöl auch nach einer erfolgreich abgeschlossenen Energiewende weiterhin einen hohen Stellenwert haben. Und dafür wollen wir das heimische Erdöl fördern.

Macht es denn überhaupt noch Sinn, in Deutschland Erdöl zu suchen? In anderen Ländern sind doch die Vorkommen viel größer?

Appel:
Zuallererst will ich vorausschicken: Deutschland ist eine etablierte Fördernation. Seit Anfang des 19. Jahrhunderts wird bei uns durchgängig und flächendeckend Öl gefördert. Aber sie haben vollkommen recht: Der größte Teil unseres in Deutschland verbrauchten Öls kommt aus dem Ausland, der Anteil des deutschen Erdöls nimmt nur etwa zwei Prozent ein. Etwa zwei Millionen Tonnen werden jährlich in Deutschland gefördert. Wenn wir es allerdings schaffen, den Ölverbrauch signifikant zu verringern und die Förderung in Deutschland stabil zu halten oder sogar auszubauen, dann wird der Anteil größer. Dadurch würden wir ein Stück autarker werden. Und ganz allgemein bedeutet jedes in Deutschland geförderte Fass Erdöl auch einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz.

Wie meinen Sie das?

Appel:
Die Vorteile liegen auf der Hand: In Deutschland gefördertes Rohöl hat wegen der kurzen Transportwege bedeutend weniger CO2-Emissionen als importiertes. Statt tausende von Kilometern legt unser gefördertes Öl nur wenige Kilometer bis zur Raffinerie in Karlsruhe zurück. Dadurch werden Treibhausemissionen vermieden, die ansonsten beim Transport anfallen würden. Hinzu kommt: Knapp ein Drittel des in Deutschland verbrauchten Erdöls kommt aus Ländern, die in keiner Weise unseren Ansprüchen an Natur- und Umweltschutz genügen. Bei in Deutschland gefördertem Erdöl können wir sicher sein, dass dies nach strengsten technischen und umweltschonenden Standards geschieht. Mit der Produktion heimischen Erdöls übernehmen wir damit auch ein Stück weit Verantwortung. Und ganz allgemein gesprochen: Wie wichtig verlässliche Lieferketten für die Wirtschaft sind, hat uns nicht zuletzt die Corona-Pandemie deutlich vor Augen geführt. Kurzum: Es spricht vieles dafür, Rohstoffe möglichst dort zu erschließen und zu fördern, wo sie direkt weiterverarbeitet und benötigt werden.

Können Sie nachvollziehen, dass Menschen skeptisch sind, wenn bei ihnen nach Erdöl gebohrt wird?

Appel:
Selbstverständlich. Die Bevölkerung will wissen, ob unsere Arbeit Auswirkungen auf die Umwelt hat. Wir nehmen diese Bedenken sehr ernst und treten daher immer in einen engen Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Stadt- und Gemeindeverwaltungen vor Ort. Denn unsere Erfahrung zeigt: Man kann die Öffentlichkeit nur überzeugen, wenn man sie transparent und umfassend informiert und erklärt, wie die Arbeiten ausgeführt werden. Die heutige Technik und die Überwachung durch die Aufsichts- und Kontrollbehörden stellen sicher, dass es zu keinerlei Belastungen für Mensch und Natur kommt. Dabei hat der Schutz des Trinkwassers immer oberste Priorität. In Deutschland sind die Bohrplätze nach dem Tankstellenprinzip komplett abgedichtet, sodass nichts in den Boden und das Grundwasser gelangen kann. Dies wird von unabhängigen Sachverständigen geprüft und abgenommen. Die Bohrungen selbst werden teleskopartig mit mehreren ineinander gelegten Rohren, die mit hochdichtem Zement abgedichtet werden, gesichert.

Können bei der Förderung Hohlräume entstehen?

Appel:
Nein, es gibt keine unterirdischen Ölseen und bei der Erdölförderung entstehen keine Hohlräume, die wie beim Untertagebergbau verfüllt werden müssten. Erdöl befindet sich in mikroskopisch kleinen Poren von durchlässigen, aber festen Gesteinen wie zum Beispiel dem Buntsandstein.  Dessen rote Felsen stehen im Odenwald, im Neckartal und im Pfälzer Wald an und wurden oft für den Bau von Kirchen und Häusern sowie Mauern verwendet.  Entzieht man nun dem Gestein das Öl, drängt von unten Wasser in die freiwerdenden Poren nach. Es entstehen daher keine Hohlräume. Das Speichergestein bleibt unverändert stabil.

Können Ölbohrungen Erdbeben auslösen?

Appel:
Das ist eine Frage, die wir insbesondere im Rheintal immer wieder gestellt bekommen. Im Oberrheingraben treten immer wieder natürliche Erdbeben auf. Es sind aber keine seismischen Aktivitäten im Rahmen der historischen und aktuellen Erdölförderung im Oberrheintal bekannt. Beim Bohren nach Erdöl entsteht keine induzierte Seismizität. Die Universität Frankfurt ist dieser Thematik wissenschaftlich nachgegangen und hat eine unserer ersten Bohrungen in Hessen einem seismischen Monitoring unterzogen. Das Ergebnis war eindeutig: Es konnte keinerlei seismische Aktivität im Zusammenhang mit der Bohrung festgestellt werden.
Während der Förderung von Erdöl könnte theoretisch eine sehr geringe, von Menschen nicht spürbare, induzierte Seismizität auftreten, sogenannte Mikrobeben. Dafür müssten aber bestimmte geologische Bedingungen im Untergrund auftreten, die jedoch in unseren Lagerstätten im Oberrheintal nicht vorkommen.

Und wie steht Rhein Petroleum zu Fracking?

Appel:
Wir wenden ausschließlich konventionelle Erdölförderung an. Das heißt: Wir fördern das Öl aus porösen und natürlich durchlässigen Gesteinen, wie etwa dem Buntsandstein. Fracking betreiben wir nicht.

Wie wichtig sind Forschung und der Austausch mit Universitäten und Hochschulen für Sie?

Appel:
Wir unterstützen die universitäre Forschung im Bereich der Geowissenschaften sehr intensiv u.a. im Rahmen von Forschungsprojekten, Master- und Doktorarbeiten. Dabei arbeiten wir immer wieder mit verschiedenen Universitäten und Forschungseinrichtungen in Süddeutschland zusammen. Dazu zählen beispielsweise das Karlsruher Institut für Technologie in Karlsruhe (KIT), die Universität Heidelberg oder die TU Darmstadt sowie das Senckenberg Forschungsinstitut in Frankfurt und das Naturhistorische Museum in Mainz. Die Ergebnisse dieser Forschungsarbeiten werden regelmäßig auf nationalen und internationalen Tagungen präsentiert sowie in Fachzeitschriften publiziert und damit einem breiten Fachpublikum zugänglich gemacht.

Von großer Bedeutung sind unsere über die 3D-Seismik sowie die Bohrungen gewonnenen Erkenntnisse über den geologischen Untergrund für Geothermie-Projekte und die geologische Landesaufnahme der Geologischen Ämter und Behörden. So konnten wir unter anderem den sogenannten Unteren Grundwasserleiter im Raum Karlsruhe in unseren Auswertungen aufgrund der von uns gewählten Aufnahme- und Berechnungsparameter sichtbar machen. Diese Erkenntnisse haben wir den zuständigen geologischen Landesbehörden vorgestellt und sind dort auf großes Interesse gestoßen. Die Daten werden den Behörden darüber hinaus auch zur weiteren Auswertung übergeben. Auf diese Weise können Erkenntnisse etwa für mögliche geothermische Projekte oder geothermische Nachnutzungen von nicht wirtschaftlichen Erdölbohrungen gewonnen werden und für die Allgemeinheit nutzbar gemacht werden. Jedes unserer Projekte kann somit auch die Grundlagen für die Entwicklung von geothermischer Wärmeerzeugung liefern, wie etwa im Großraum Karlsruhe oder in Südhessen.

Eine große Freude ist es uns auch immer, Studentengruppen und Schulklassen zu begrüßen und so Geologie erfahrbar und im wahrsten Sinne "greifbar“ zu machen.

Kommen wir von den grundsätzlichen Fragen zu den aktuellen Projekten von Rhein Petroleum. Woran arbeiten Sie derzeit?

Appel:
Wir arbeiten aktuell sehr fokussiert an der weiteren Erkundung und Erschließung eines Ölfelds bei Weingarten nordöstlich von Karlsruhe. Im Sommer 2019 haben wir hier mit unserer Erkundungsbohrung „Steig 1“ vielversprechende Erdölführende Schichten nachgewiesen. Daher befinden wir uns gerade in der Genehmigungsphase für eine Testförderanlage sowie für weitere Bohrungen, um das Feld umfassend zu entwickeln. Dazu sind wir im engen Austausch mit dem Bergamt, den beteiligten Behörden und Ämtern, aber auch mit den lokalen Wasserversorgern, Natur- und Umweltverbänden sowie den Kommunen.

Konzentrieren Sie sich ausschließlich auf Weingarten?

Appel:
Nein. Wir sind auch weiterhin im Hessischen Ried aktiv sowie gemeinsam mit unserem Partner Oneo in Bayern.

Können Sie das konkretisieren?

Appel:
In Riedstadt betreiben wir seit 2016 eine moderne Förderanlage, mit der wir aus der Bohrung Schwarzbach 1a Erdöl fördern. Mittelfristig planen wir dort in unserer Produktionsbewilligung weitere Bohrungen, um das Erdölfeld umfassend erschließen zu können. Und im bayerischen Lauben sind wir gemeinsam mit unserem Konsortialpartner Oneo ebenfalls seit 2018 in der Dauerförderung. Kurzum: Wir fördern Erdöl und bereiten neue Erkundungsbohrungen vor.

In Graben-Neudorf waren Sie jedoch nicht erfolgreich?

Appel:
Die Bohrarbeiten an sich verliefen technisch hervorragend, aber wir haben letztendlich in der anvisierten Gesteinsstruktur zu wenig Erdöl angetroffen, um eine anschließende Testförderung wirtschaftlich vertreten zu können. Trotz allem war die Bohrung insbesondere aus geologischer Sicht nicht erfolglos. Denn bei jeder Bohrung lernen wir den Untergrund mit seinen Strukturen besser kennen, was uns bei unserer weiteren Arbeit hilft. Jede nichtfündige Bohrung gibt uns Aufschlüsse darüber, warum sie nicht fündig war.

Sie sehen das sehr entspannt ...

Appel:
Bei Erdölbohrungen gehören Fehlschläge dazu. Historisch gesehen liegt die Erfolgsquote im Oberrheingraben bei etwa eins zu vier. Danach brauchte man vier Bohrungen für eine Fündigkeit. Bei uns liegt die Quote bei eins zu zwei – die von uns eingesetzte moderne Technologie, beginnend bei der Seismik bis hin zur Bohrtechnik, zahlt sich hierbei aus.

Was ist mit dem Bohrplatz in Graben-Neudorf geschehen?

Appel:
Vor der Verfüllung hat die Gemeinde geprüft, ob sich die Bohrung zur geothermischen Wärmeerzeugung eignet. Leider ergab die Prüfung, dass die Nutzung der Bohrung mangels geeigneter lokaler Infrastruktur nicht wirtschaftlich gewesen wäre. Wir haben das sehr bedauert und die Bohrung schweren Herzens verfüllt, alles zurückgebaut und mit einem sekundären Eichenmischwald rekultiviert. Im ersten Schritt war nur eine Lichtung zu sehen. Dann wurde im Frühjahr 2018 das Gelände aufgeforstet, sodass heute von unseren Arbeiten nichts mehr zu sehen ist. Der Forst hat übrigens die Gelegenheit genutzt, auf der Fläche auch trockenheitsresistente Baumarten zu pflanzen, um deren Eignung zu testen. Graben-Neudorf ist damit ein gutes Beispiel, wie mit alten Bohr- und Förderplätzen umgegangen wird: Am Ende wird alles zurückgebaut und mindestens der Ausgangzustand wiederhergestellt. Gleiches gilt für die nicht mehr genutzten Flächen der Bohrung „Steig 1“ im Bronnloch. Hier haben wir den äußeren Teil des Bohrplatzes rekultiviert und sogenanntes „Regiosaatgut“, eine artenreiche Blühwiese, wie sie früher typisch für die Region war, eingesät. All diese Arbeiten wurden vorab mit der zuständigen Naturschutzbehörde abgestimmt und durch die jeweilige Bergbehörden genehmigt.

Rhein Petroleum hat 2011 die Arbeit aufgenommen mit dem Ziel nachzuweisen, dass es in Süddeutschland in ehemaligen Erdölfeldern und deren Umgebung noch förderungswürdige Mengen an Erdöl gibt. Zum heutigen Zeitpunkt haben Sie drei fündige Bohrungen und fördern an zwei Standorten, wobei eine dritte Förderanlage hinzukommen soll. Wie fällt Ihr Resümee aus?

Appel:
Positiv! Und zwar aus dreifacher Sicht. Erstens: Der Dialog mit den Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden sowie den Gemeinden und lokalen Behörden war zu jeder Zeit konstruktiv und gut – ebenso mit allen Umwelt- und Naturschutzverbänden sowie der Bevölkerung. Ein großes Anliegen war und ist es uns, die Umweltverbände mit ihrer regionalen Expertise einzubinden. Unsere offene Kommunikation, die unabdingbar zu unserem Geschäftsmodell gehört, haben wir positiv widergespiegelt bekommen. So haben wir bei allen Bohrungen stets vorab Bürgerinformationen veranstaltet und während der Bohrung die Bevölkerung auch zu einem „Tag der offenen Tür“ eingeladen, der immer hervorragend angenommen wurde. Zweitens sind wir aus technischer Sicht sehr zufrieden: Die Bohrungen sind alle sicher und planmäßig verlaufen, unsere gesteckten Zeitrahmen haben wir eingehalten und teilweise sogar unterschritten. Ganz wichtig auch: Es gab nie einen Arbeitsunfall oder eine Havarie: Wir sind seit Gründung der Firma, also seit über 5000 Tagen unfallfrei! Darauf bin ich sehr stolz und es zeigt, dass uns die Sicherheit unserer Mitarbeiter und der Umweltschutz am wichtigsten für uns sind.  Und drittens sind wir auch mit dem wirtschaftlichen Zwischenergebnis zufrieden: Mit unserer Arbeit können wir den hochwertigen Rohstoff Öl in enger Nachbarschaft dort fördern, wo er weiterverarbeitet und benötigt wird. Hier hoffen wir, dass wir die Fördermengen über weitere Feldeserschließungen ausweiten können, um noch einen größeren Beitrag für die Versorgung der Wirtschaft mit dem Rohstoff Öl leisten zu können.

Es ist immer wieder zu hören, dass die Qualität des Erdöls aus dem Oberrheingraben so gut sein soll? Wirkt sich das positiv auf die Erlöse aus?

Appel:
Beides stimmt. Das süddeutsche Öl hat eine sehr hohe Qualität. Denn es ist ein leichtes, süßes, also schwefelarmes Öl und es enthält keine Schwermetalle. Damit ist es in der Raffinerie leicht zu verarbeiten und aufgrund seiner wertvollen Bestandteile bestens als Ausgangsprodukt für die Industrie geeignet und wird daher von den Raffinerien stark nachgefragt. Und da die Preise abhängig von der Qualität des Öls sind, hat das heimische Erdöl wegen des geringeren Raffinationsaufwands einen höheren Marktwert.


Stand Juni 2022